Liebe Leserinnen und Leser,
vielleicht dauert auf Rügen wirklich alles ein bisschen länger? So ein vorpommersches Kaltblut bringt offenbar nichts so schnell in Wallung. Doch wenn sie von ihrer Insel vertrieben werden, gehen die Insulaner auf die Barrikaden. Jedenfalls einige. Mit einer Satzung wollen die Göhrener dafür sorgen, dass nicht noch der letzte erschwingliche Wohnraum zu Ferienwohnungen umgenutzt wird.
Viel zu spät, mag mancher meinen. Und in der Tat: Schon vor gut 20 Jahren hatte die damalige Vorsitzende des Binzer Fremdenverkehrsvereins, Renate Ott, in einem Interview vor einer solchen Entwicklung gewarnt. Ansonsten, so ihre Befürchtung, würden das Ostseebad und die gesamte Insel Stück für Stück zu einer Disney-Kulisse verkommen.
Was wurde sie seinerzeit von der hiesigen Tourismus-Lobby für diese „Schwarzmalerei“ kritisiert und beschimpft! „Recht hatte sie“, sagt heute mancher. Denn vielerorts ist genau das eingetreten: Hübsche Fassaden, auf Bäderstil getrimmt, in einer Reihe – doch niemand, der dort wirklich lebt.
Hinter fast jedem Fenster in den Zentren und guten Wohnlagen der Orte am Bodden oder am Meer verbirgt sich eine Ferienwohnung. Die sprießen nach wie vor wie Pilze aus dem feuchten Waldboden. Wer hier arbeitet und dauerhaft lebt, findet eine passende, bezahlbare Wohnung meist nur durch Beziehungen oder Mund-zu-Mund-Propaganda.
Insofern ist eine Initiative wie die der Göhrener längst überfällig. Viel zu lange haben sich die Kommunen und der Kreis hinter der Landesbauordnung versteckt. Eine Reglementierung sei kaum möglich, versicherten sie immer wieder schulterzuckend. Dass es doch geht, haben andere Kommunen bewiesen. Und vielleicht lassen sich auch andere Gemeinden auf der Insel von der Göhrener Haltung inspirieren – sonst werden die Orte an der Küste eines Tages wirklich zu riesigen, seelenlosen Ferienanlagen mit integriertem Unterhaltungsbetrieb.
Eine schöne Woche wünscht Ihnen
OZ-Lokalredakteur auf Rügen